Schleiftechnik ist Präzisionsarbeit. Fabian Grossmann greift sich die Lupe und prüft die Oberfläche des soeben geschliffenen Fräsers. Der 27-Jährige gehört zu den Finalisten, die am 15. und 16. Mai live auf der Fachmesse GrindingHub um den Titel „Grinder of the Year“ wetteifern. In diesen Tagen traf er sich mit seinen Kontrahenten zur Vorbereitung im Technologiezentrum von Hauptsponsor Anca in Weinheim. Erste Tests auf der Wettbewerbsmaschine verlaufen vielversprechend. Der Countdown bis zur Messe läuft.

Bei dem mit Spannung erwarteten Titelkampf in Halle 7 auf dem Stuttgarter Messegelände ist es kaum anders als bei sportlichen Entscheidungen im Eiskanal oder auf der Rennpiste. Können ist messbar, der Bessere gewinnt. Für die jungen Titelanwärter – allesamt Auszubildende oder angehende Fachkräfte aus dem Bereich Schleifen in der Metallbearbeitung – gilt es, in vorgegebener Zeit die geforderten Geometrie- und Oberflächeneigenschaften eines Werkzeugs oder Werkstücks zu erzeugen. Es geht um Genauigkeit im Mikrometerbereich.

 

Hauptsponsor Anca sorgt für faire Wettbewerbsbedingungen

Zwar hatten alle Finalisten, wie sie in Weinheim verraten, im Vorfeld bereits trainiert, Videos studiert und sogar Firmen in der Nachbarschaft aufgesucht, um Erfahrungen auf verschiedenen Maschinen zu sammeln. Doch schließlich ist es Hauptsponsor Anca, der mit der Einladung zu einer Intensiv-Schulung auf der Wettbewerbsmaschine dafür sorgt, dass alle fit werden für das Finale.

„Die Schulung soll die Kandidaten mit der hauseigenen Schleif-Software und der Maschine vertraut machen und vor allem gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen“, erläutert Barbara Hannappel, Geschäftsführerin der Agentur KSKomm in Ransbach-Baumbach. Sie ist mit der Organisation und Durchführung des Wettbewerbs beauftragt. Auf der GrindingHub werden dann alle Kandidaten auf derselben Schleifmaschine ihr Können unter Beweis stellen.

 

Wettbewerbsteilnahme bringt Erfahrungs- und Kenntnisschub

Während der Schulung in Weinheim ist von Wettkampfstimmung indes nicht viel zu spüren. Es geht eher freundschaftlich zu zwischen den Finalisten. Zu ihnen gehören neben Fabian Grossman (27), der als Schneidwerkzeugmechaniker bei Fraisa in Willich arbeitet, auch Christian Brodowski (22), Auszubildender zum Zerspanungsmechaniker bei Aweba Werkzeugbau Aue, Jan-Niclas Kiefer (23), Zerspanungsmechaniker im Technologiezentrum von Effgen Lapport, Herstein, sowie die Präzisionswerkzeugmechaniker Simon Lehmann (21) und Osman Sylaj (23) von Rotheneicher-Tools, Erkheim. Die jungen Schleifexperten tauschen sich aus, beraten sich und geben sich Tipps. „Wichtig ist doch vor allem, dass uns der Wettbewerb die Möglichkeit gibt, etwas Neues kennenzulernen, Erfahrungen zu sammeln und uns mit anderen fachlich auszutauschen“, stellen die Kandidaten übereinstimmend fest.

Dabei hatten alle fünf Finalisten, wie sie erzählen, erst einen kleinen Anstoß gebraucht, um sich für den Wettbewerb anzumelden. Mal war es der Vorgesetzte, der in einer Mail den dezenten Hinweis auf den Wettbewerb verpackte, mal legte der Chef einen Zeitschriftenartikel auf den Tisch. Bei Christian Brodowski war es der Berufsschullehrer, der ihn auf sein Talent ansprach und ihn ermutigte, sich zu bewerben. Das dürfte für den VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken), den Veranstalter der GrindingHub, keine Überraschung sein. Nicht nur Ausbilder und Vorgesetzte haben großen Einfluss auf die Entwicklung des Branchennachwuchses, heißt es. Auch engagierten Berufsschullehrern fällt eine immens wichtige Rolle zu.

 

Nachwuchsarbeit als Mission

Bereits 2009 gründete der VDW die Nachwuchsstiftung Maschinenbau, die sich als Partner der beruflichen Bildung versteht. Es geht einerseits darum, die Attraktivität von Metallberufen in Szene zu setzen und Karrierechancen aufzuzeigen, um junge Leute für Berufe in der Metallbearbeitung zu begeistern. Andererseits müssten aktuelle Ausbildungsinhalte auch bestmöglich vermittelt werden, so die Nachwuchsstiftung Maschinenbau. Dazu gehören mittlerweile neben Grundlagenwissen in der Metallbearbeitung auch Kenntnisse der CAD/CAM-Technologie oder digitaler Fertigungsprozesse, Vernetzungstechnologien und Softwareprogrammierung im Rahmen von Industrie 4.0. Die Nachwuchsstiftung arbeitet intensiv an Hilfen für die Weiterbildung und stellt didaktisch aufbereitete Informationen zur Verfügung.

Der wachsende Einfluss von IT und Digitalisierung wird auch bei Anca in Weinheim deutlich. Für die Finalisten im „Goty 24“, so die mittlerweile geläufige Kurzbezeichnung für den Wettbewerb „Grinder of the Year“, geht es am ersten Tag der Intensivschulung zunächst um Programmierung und den Umgang mit der Anca Schleifsoftware. Nachdem Anwendungstechniker Guido Winnemuth alle Besonderheiten bei der Programmierung erläutert hat, steht der Umgang mit der 5-Achsen-Werkzeugschleifmaschine FX7 aus der neuen Ultra-Serie auf dem Programm.

Der zweite Tag der Schulung bringt schon mal einen Vorgeschmack auf das Finale. Dann erhält jeder Kandidat eine Zeichnung mit dem Werkzeug, das es in einem vorgegebenen Zeitraum zu programmieren und anschließend zu schleifen gilt. Das Ergebnis wird eine dreiköpfige Jury mikrometergenau unter die Lupe nehmen und schauen, ob etwa Freiwinkel passen und Geometriedaten eingehalten wurden.

Doch ganz unabhängig davon, wer sich am Abend des 16. Mai mit dem Titel schmücken darf: Alle fünf Finalisten können sich schon jetzt als Gewinner fühlen. Die Schulung hat jede Menge neuer Erkenntnisse gebracht und zudem hat jeder – entsprechend der späteren Platzierung – einen Bildungsgutschein im Wert zwischen 500 und 3.500 Euro sicher, der für Meisterkurs, Teilnahme an Seminaren, Tagungen oder Schulungen eingesetzt werden kann. Sicher ist aber auch, dass es beim Grinder-Wettbewerb nicht anders ist als im Hochleistungssport. Am Ende entscheiden womöglich die Tagesform oder ein Quäntchen Glück, wer um ein paar Mikrometer vorne liegt.

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Autorin: Cornelia Gewiehs, freie Journalistin, Rotenburg (Wümme)

 

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