Frankfurt am Main, 14. Oktober 2025. – Die EMO Hannover ist der internationale Treffpunkt der Produktionstechnik. Hier kommen alle wichtigen Branchenvertreter zusammen, um neueste Entwicklungen, Trends und Forschungsergebnisse zu diskutieren. Im Rahmen dieser Leitmesse zeichnet das VDW-Forschungsinstitut zwei Forschungsprojekte als „Projekte des Jahres“ aus. Die Auszeichnungen wurden am Donnerstag, 25. September 2025, auf der EMO Hannover durch Dr. Stephan Kohlsmann, Vorsitzender des Vorstands des VDW-Forschungsinstitut, und dessen Geschäftsführer Dr. Alexander Broos an die Preisträger übergeben.

„Mit dieser Auszeichnung wollen wir gezielt die wissenschaftlichen Mitarbeiter der beteiligten Forschungseinrichtungen würdigen, die solche Projekte während der in der Regel zwei- bis dreijährigen Laufzeit bearbeiten und dabei herausragende Leistungen zeigen“, erläutert Broos die Motivation für diesen undotierten, ideellen Preis.

Projekt des Jahres 2024: Rüstzeitminimierung an Schmiedehämmern

Für das Projekt „Rüstzeitminimierung an Schmiedehämmern mittels sensitivem Gesenkspannsystem (sGs)“ wurden Martin Wagner, Nico Wagner und Dr. Robert Tehel vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Chemnitz ausgezeichnet. Es hatte zum Ziel, den Werkzeugwechsel an Schmiedehämmern effizienter, sicherer und reproduzierbarer zu gestalten.

Dazu wurde ein Messsystem entwickelt, mit dem sich die Spannsituation im Prozess erstmals sowohl qualitativ als auch quantitativ erfassen ließ. Auf Basis dieser Daten entstanden FEM-Simulationen, die neue Einblicke in die Spannverhältnisse ermöglichten. Daraus wurde schließlich ein neuartiges Spannsystem abgeleitet, das den extremen dynamischen und thermischen Belastungen im Schmiedeprozess standhält.

Die Lösung bringt deutliche Vorteile: kürzere Rüstzeiten durch weniger Nachjustierungen, erhöhte Prozesssicherheit durch reproduzierbare Vorspannung sowie eine gesteigerte Arbeitssicherheit, da unkontrollierte Hammerschläge beim Keileinschlagen vermieden werden. Zudem eröffnet das Konzept neue Potenziale für Automatisierung und Kostensenkung. „Mit dem neu entwickelten Mess- und Spannkonzept können Unternehmen ihre Schmiedeprozesse sicherer, effizienter und wirtschaftlicher gestalten. Die gewonnenen Daten liefern erstmals detaillierte Einblicke in die tatsächlichen Spannverhältnisse und eröffnen neue Möglichkeiten zur Automatisierung“, erklärt Martin Wagner.

Seitens der Industrie begleitete Sebastian Frank, Entwicklungsleiter bei der Lasco Umformtechnik GmbH, Coburg, das Projekt. „Die Werkzeugbefestigung an Schmiedehämmern ist seit Anbeginn des Schmiedens im Wesentlichen unverändert. Daher war es überfällig zu untersuchen, ob mit neuen technologischen Mitteln Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu umsetzbaren Ergebnissen entwickelt werden können, damit das hocheffiziente Aggregat Schmiedehammer auch weiterhin den stetig wachsenden Kundenanforderungen genügt“, erläuterte Frank. Er freut sich daher, dass in dem Vorhaben mit großem Praxisbezug eine Grundlage für die Entwicklung künftiger Systeme gelegt wurde.

Projekt des Jahres 2023: Dimensionierung von Schutzeinrichtungen für Schleifmaschinen

Preisträger des zweiten ausgezeichneten Projekts war Simon Thom, der sich  am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der TU Berlin mit der „Dimensionierung von trennenden Schutzeinrichtungen für ortsfeste Schleifmaschinen“ beschäftigte. Im Vordergrund stand die Frage, wie Schutzumhausungen so ausgelegt werden können, dass sie Bedienpersonal und Maschinen zuverlässig schützen, ohne unnötig überdimensioniert zu sein.

Bisher übliche Berstversuche waren zwar realitätsnah, aber weder reproduzierbar noch wirtschaftlich. Die Berliner Forscher kombinierten deshalb translatorische Aufprallprüfungen mit Finite-Elemente-Simulationen. Daraus entstand ein Regressionsmodell, das den Zusammenhang zwischen Schleifscheibenparametern und erforderlicher Wandstärke beschreibt. So konnten erstmals fundierte und gleichzeitig ressourcenschonende Vorgaben für die Konstruktion von Schutzeinrichtungen entwickelt werden.

Die Ergebnisse sind bereits in die internationale Norm ISO 16089 eingeflossen. Dies erleichtert Herstellern die CE-Kennzeichnung, verkürzt Zulassungsprozesse und erhöht die Arbeitssicherheit. „Das Projekt steht beispielhaft für die ausdauernde und zielgerichtete wissenschaftliche Arbeit am IWF. In enger Kooperation mit den Werkzeugmaschinenherstellern im VDW und der Berufsgenossenschaft BGHM haben wir angewandte Forschung betrieben, die direkt der Praxis zugutekommt“, betont Simon Thom.

Und Christian Adler von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall sowie Vorsitzender der zuständigen Normungsgruppe, ergänzt: „Als Berufsgenossenschaft ist es unser Anliegen, dass Arbeitsschutzvorgaben nicht nur eingehalten, sondern auch breit akzeptiert werden. Eine fundierte wissenschaftliche Basis ist dafür unverzichtbar. In diesem Zusammenhang hat Herr Thom mit seinem herausragenden Projekt einen bedeutenden Beitrag zur Weiterentwicklung der Dimensionierungsvorgaben für trennende Schutzeinrichtungen geleistet.“

Die ausgezeichneten Vorhaben wurden durch das Bundeministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Förderprogramms „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ gefördert.

 

Autoren: Emelie Melchert / Dr. Alexander Broos, VDW

 

Hintergrund:

Der VDW-Forschungsinstitut bündelt als gemeinnützige Forschungsvereinigung den Bedarf von Mitgliedsfirmen des VDW und weiteren interessierten Unternehmen, wenn sie Wissenslücken bei werkzeugmaschinenspezifischen, fertigungstechnologischen oder produktionstechnischen Fragen schließen wollen. Im Vordergrund steht hierbei die vorwettbewerbliche industrielle Gemeinschaftsforschung, für die Fördermittel im gleichnamigen Programm (IGF) beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eingeworben werden. Darüber hinaus fördert das VDWFI zahlreiche Vorhaben mit beitrags- und spendenfinanzierten Eigenmitteln. Zur Identifikation und Betreuung der Themen existieren insgesamt acht themenbezogene Arbeitskreise, die unterschiedliche Facetten von Prozesstechnologie, Maschinenentwicklung und übergreifenden Steuerungs- oder Sicherheitsthemen betrachten. Es bilden sich somit Netzwerke, auch von Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen, die sich gegenseitig ergänzen und neue Themengebiete erschließen. Die gemeinsame Arbeit an zukunftsweisenden Themen stärkt sowohl die Branche als auch den deutschen Mittelstand in der Metallverarbeitung insgesamt.

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Pressemeldung

Bild: Preisverleihung für das VDWFI „Projekt des Jahres“ auf der EMO Hannover 2025. Von links nach rechts: Dr. Alexander Broos, Dr. Robert Tehel, Nico Wagner, Martin Wagner, Simon Thom, Dr. Stephan Kohlsmann. Quelle: Rainer Jensen / VDW