Die Digitalisierung der Metallbearbeitung steht und fällt laut Prof. Frank Barthel-mä, Geschäftsführer der GFE Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung Schmalkalden e.V., mit dem intelligenten Werkzeug. „Auch eine sich selbst optimierende Werkzeugmaschine funktioniert nur über die Kommunikation nach außen und nach innen“, erklärt der Veranstalter der Schmalkalder Werkzeugtagung, die im November 2018 stattfand. „Und daher spielt das Werkzeug nach wie vor eine entscheidende Rolle.“ Hersteller von Präzisionswerkzeugen, Spannzeugen und Messtechnik sollten sich deswegen intensiv mit Digitalisierung und Vernetzung befassen – von der Datenerzeugung zum Beispiel in einem rotierenden Werkzeug bis hin zu cloudbasierten Lösungen. Barthelmä: „Denken wir daran: Vernetzung ermöglicht integrierte Dienstleistungen.“

Neue Dienstleistungen dank Vernetzung

Der Experte aus Thüringen geht in den nächsten fünf bis zehn Jahren von einer noch engeren Vernetzung von Kunden und Lieferanten aus. Der Anwender der Produkte wird künftig sogar wesentlich früher in die gesamte Datentransferkette einbezogen als bisher. Eine wichtige Rolle werden seiner Ansicht nach prozess-vorbereitende oder -begleitende Dienstleistungen wie die vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) als dann integriertes Element der Produktion spielen.

Die Botschaft ist in der Branche angekommen und wird bereits bei vielen Herstellern in die Tat umgesetzt. Ein Beispiel von vielen ist die c-Com GmbH, ein Start-up der Mapal Präzisionswerkzeuge Dr. Kress KG aus Aalen. Der IT-Newcomer bietet auf einer offenen Cloud-Plattform Software as a Service (SaaS) unter anderem zur Verwaltung von Werkzeugen an. „Sehr viel Zeit ist nötig, um Werkzeuge zu disponieren, wiederaufzubereiten und zu optimieren.“ sagt Giari Fiorucci, Geschäftsführer der Mapal-Tochter. „Viele Anwender managen diese Aufgaben, bei denen große Datenmengen entstehen, jedoch weitestgehend manuell.“ Obwohl die Beteiligten oft die gleichen Daten benötigen, werden diese mehrfach generiert und in redundanten Datenbanken gepflegt. Anders läuft es mit Unterstützung einer Cloud ab. Auf einer solchen Plattform entstehen als virtuelles Abbild der Werkzugdaten digitale Zwillinge inklusive vieler wichtiger Kennwerte wie beispielsweise Schnittdaten, Standmengen oder die Anzahl der Wiederaufbereitungen.

Cloud bringt Partner zusammen

Die zentrale Datenerfassung macht das mehrfache Erzeugen von Datensätzen überflüssig. Doch die Cloud konzentriert nicht nur die Daten der Werkzeuge, sondern verbessert auch das Zusammenspiel. Fiorucci zum Alleinstellungsmerkmal: „Wir bringen alle Geschäftspartner der Zerspanungsbranche über die Firmengrenzen hinaus zusammen.“ Dazu zählen zerspanende Unternehmen, Werkzeughersteller und Dienstleister, die etwa das Nachschleifen oder die Beschichtung übernehmen.

Messtechnik ermöglicht schnelle Regelung

Zu den Klassikern der Digitalisierung zählen intelligente Werkzeuge, die dank der neuen, leicht zu integrierenden Sensorik neue Aufgaben übernehmen. Gefragt ist Messtechnik, die dem Anwender einen schnellen, regelnden Eingriff in den Prozess ermöglicht, der etwa Verschleiß verringert und Werkzeugbeschädigungen verhindert. Für ein Unternehmen der Energiebranche entstand bei der LMT Kieninger GmbH & Co. KG aus Lahr ein so genannter Rückwärtssenker etwa für die Bohrungsherstellung in großen Gasturbinen. Christian Krieg, Abteilungsleiter für Forschung und Entwicklung: „Die Sensorik zeigt an, ob die einzelnen Schneidelemente aus- beziehungsweise eingefahren sind, um eine Beschädigung der Bauteile beziehungsweise Werkzeuge zu verhindern.“ Im Werkzeug- und Formenbau überwachen integrierte Sensoren innerhalb der Werkzeugaufnahmen die Prozesskräfte und die erzeugten Schwingungen. Auf diese Weise lassen sich Rattermarken vermeiden. Im Idealfall lässt sich mit derartig intelligenten Werk-zeugen eine autonome Regelung aufbauen, die Schnittparameter in Echtzeit an den Fräsprozess anpasst.

Schmalkalden: Virtuell Zerspanen mit Künstlicher Intelligenz

Die Digitalisierung stand im November 2018 auch im Mittelpunkt der Schmalkal-der Werkzeugtagung, einer Veranstaltung der GFE Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung Schmalkalden e.V., des VDMA-Fachverbandes Präzisionswerkzeuge und der Hochschule Schmalkalden. Vertreten waren auf der Tagung alle wichtigen Werkzeug- und Maschinenhersteller, Institute und viele prominente Anwender wie Audi, BMW, Bosch, Daimler oder VW. Für die rund 180 Teilnehmer stand fest: Im Kommen ist die virtuelle Bearbeitung, die zunehmend mit Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) reale Zerspanungsabläufe risikolos auf dem Computer in Echtzeit optimiert. Die Anwender in Schmalkalden sahen aber auch die Grenzen. So sei KI zwar ein schönes Tool, das aber immer unter dem wachsamen Auge der Mitarbeiter ablaufen und überprüft werden müs-se. Ebenso kritisch bewertet die Branche die Rolle der allgegenwärtigen Simulation. Sie erspare dem Zerspaner zwar viele teure Versuche, mache die so genannte reale Validierung trotzdem nicht ganz überflüssig. „Die Teilnehmer waren sich dennoch einig, dass auch die reale Zerspanung angesichts neuer Schneidstoffe, Geometrien und Beschichtungen immer noch wichtig genug ist, um das Geld an der Schneide zu verdienen“, meint GFE-Geschäftsführer Barthelmä.

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge sieht die Branche eine wichtige Entwicklung, die sich parallel zur Digitalisierung anbahnt. Die Rede ist von additiver Fertigung, die als Hypethema unter dem Begriff 3D-Druck auch in die Publikumspresse Eingang findet. Die übereinstimmende Meinung der Tagungsteilnehmer: Additive Verfahren sind eine interessante Ergänzung, sie können das Zerspanen aber nicht komplett ersetzen, zumal der industrielle 3D-Druck in der Regel noch keine endkonturennahe Bearbeitung erlaubt. Er kommt nämlich meist nicht ohne ein endgültiges Finishing etwa per Schlichten oder Polieren aus.

Wie es weitergeht in Sachen Digitalisierung, erfährt die Branche vom 26. bis 29. Juni 2019 am Tegernsee auf der World Cutting Conference (WCTC) des VDMA Fachverbands Präzisionswerkzeuge ebenso wie fünf Monate später auf der EMO Hannover vom 16. bis 21. September 2019. Am Tegernsee und in Hannover werden nicht nur technische Aspekte anstehen, denn Werkzeugexperten wie Barthelmä denken schon jetzt weiter: „Interessant sind sicher auch Themen, die über das rein Technische hinausgehen, wie zum Beispiel juristische Aspekte, die sich mit der Arbeits- und Datensicherheit befassen.“ Auch darum wird es auf den Foren und Ständen der EMO Hannover 2019 gehen.

Autor: Nikolaus Fecht, Gelsenkirchen
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