Auf der EMO Hannover erwartet die Besucher in Halle 9 am umati-Stand eine Demonstration, wie umati im großen Stil funktioniert. Geplant sind mindestens 100 vernetzte Maschinen nationaler und internationaler Hersteller, die Vorstellung der laufenden Aktivitäten sowie die Präsentation des international abgestimmten Entwurfes der Companion Specification.

Mit der auf OPC UA basierenden Schnittstelle umati (universal machine tool interface) will der VDW erreichen, dass Daten durch eine offene, standardisierte Anbindung aus Maschinen geleitet werden, die mit unterschiedlichen Steuerungen ausgestattet sind. Vergleichbar mit einem USB-Stick. „Es geht darum, etwas zu schaffen, das die Computerindustrie längst hat“, macht Dr. Heinz-Jürgen Prokop, Vorsitzender des VDW, deutlich.

umati kann vielseitige Kundenwünsche erfüllen

Für Maschinenbauer gehört die Digitalisierung längst zum täglichen Business. Und so formulieren die Unternehmen auch ihre Vorstellungen für den praktischen Einsatz und die Erwartungen an umati. „Derzeit konzentrieren wir uns bei Profiroll auf die Analyse von Maschinendaten, um immer engere Toleranzen prozesssicher zu erreichen. So ist in den vergangenen Jahren eine Härtekompensation entwickelt worden, die Schwankungen im eingehenden Material prozessseitig ausregelt – wenn man so will eine intelligente Maschine. Eine groß angelegte Verarbeitung von Maschinenzustandsdaten erfolgt bei uns noch nicht. Entsprechend haben wir zunächst anderweitig im VDW an der Erarbeitung des umati-Standards mitgewirkt, da die Ressourcen zur Softwareentwicklung im Haus begrenzt sind“, sagt Dr. Stephan Kohlsmann, Geschäftsführer der Profiroll Technologies GmbH aus Bad Düben. „Unsere Kunden wünschen zunehmend Informationen zum Zustand der Maschinen, erreichten Stückzahlen und auch teilespezifische Daten. Wir Hersteller von Werkzeugmaschinen wissen, welche Informationen für einen Betreiber von Interesse sind und sind damit prädestiniert, einen Standard zu definieren und mit den Steuerungsherstellern zu vereinbaren. Somit kann in Zukunft der Betreiber von unterschiedlichsten Werkzeugmaschinen erwarten, die notwendigen Daten in einem einheitlichen Kontext, in einem einheitlichen Takt und in einem einheitlichen Datenformat zur Verfügung gestellt zu bekommen. Das ist ein Riesenfortschritt, weil er sich nur noch mit der für ihn spezifischen, ebenfalls standardisierten Speicherung und Verarbeitung der Daten kümmern muss“, erklärt er weiter.

Zu den Einsparpotenzialen und Optimierungen, die durch einen einheitlichen Schnittstellenstandard realisiert werden können, sagt Kohlsmann: „Heute erhalten wir Maschinenhersteller von jedem Kunden in einem Lastenheft eine spezifische Anforderung zur Bereitstellung von für ihn wichtigen Daten in einem Format, das er sich ausgedacht hat. Das begründet projektspezifische zeit- und kostenintensive ingenieurtechnische Bearbeitung und Anpassung von Software. Der Standard umati macht eine Erfüllung der vielseitigen Kundenwünsche überhaupt erst möglich. Das ist im Maschinenbau ein revolutionäres Projekt und vergleichbar mit dem neuen mobilen Übertragungsstandard 5G, durch den Entwicklungen wie autonomes Fahren, Augmented und Virtual Reality oder Echtzeitanwendungen Einzug in den Alltag halten.“

Grundlage für dynamische, zukünftige Geschäftsmodelle

Auch bei der Samag Saalfelder Werkzeugmaschinen GmbH hat das Thema Digitalisierung sowohl im Umfeld der Serienfertigung Automotive als Anlagenbetreiber als auch im Segment Machine Tools besondere Bedeutung. „Basis für IoT oder Industrie 4.0 ist einerseits die Kenntnis der produzierten Daten und deren Bedeutung während der Lebenszeit eines Systems sowie die Nutzung einer gemeinsamen Sprache, damit alle Elemente eines Systems sich letztendlich verstehen. Samag Machine Tools schafft durch die enge Zusammenarbeit mit den Entwicklungsabteilungen der Premiumlieferanten die Voraussetzungen“, sagt Samag-Geschäftsführer Roland Emig.

„Durch einen optimierten, abgesicherten und standardisierten Datenzugang zu den Planungs- und/oder Steuerungssystemen sind unter anderem eine optimierte Auslastung von Maschinen und Anlagen, eine Vermeidung ungeplanter Stillstandzeiten sowie die optimierte Planung von Verfügbarkeiten und Kapazitäten umzusetzen“, so Emig weiter. Ergänzend dazu sei die gemeinsame Vorgehensweise Grundlage für dynamische, zukünftige Geschäftsmodelle wie zum Beispiel Pay-per-Use, Predictive Maintenance, Smart Monitoring, Smart Data Services und Capacity-on-Demand.

„Grundsätzlich bestehen zudem deutliche Potenziale für die Erleichterung der Exporte durch eine sofortige Implementierung der Maschinen und Anlagen in bestehende Organisationsstrukturen – ohne nationale Anpassungen. Dazu kommt die Reduzierung der Variantenvielfalt, die Möglichkeit, konzentriertes Expertenwissen im Unternehmen absichern zu können, die Release-Sicherheit und die Datensicherheit“, unterstreicht Emig.

Technische Grundlagen für globalen Standard zur Vernetzung

Grundlage der entstehenden Spezifikation ist OPC UA (Open Platform Communications Unified Architecture) – ein Datenaustausch-Standard für eine hersteller- und plattformunabhängige industrielle Kommunikation. „Der Standard liefert gleichzeitig ein Datenmodell und eine Kommunikationsstruktur, um Parameter und Semantik in standardisierter, offener Form zu implementieren. Deshalb findet er rasante Verbreitung, gerade im Maschinen- und Anlagenbau”, erläutert Dr. Alexander Broos, Leiter Forschung und Technik beim VDW, die technische Basis. Denn die Implementierung ist vergleichsweise einfach, da Entwicklungspakete genutzt werden können, um einen so genannten OPC UA-Server zu konfigurieren und diesen individuell anzupassen. (siehe dazu auch das beigestellte Interview.)

Eine wichtige Rolle spielen dabei einheitlich definierte Parameter, die in Form in einer OPC UA Companion Specification beschrieben und veröffentlicht werden. Träger der Standards ist die OPC-Foundation, die die Veröffentlichung und Verbreitung von OPC UA-Standards unterstützt. Somit ist auch die OPC-Foundation, ein Industriekonsortium, das die Standards für die offene Konnektivität von industriellen Automatisierungsgeräten und -systemen erstellt und aufrechterhält, ein wichtiger Partner. Der VDW ist seit Juni 2018 Mitglied.

Die wachsende Bedeutung der Digitalisierung ist ein Kernthema der EMO Hannover 2019. So bietet der Ausstellungsbereich „IoT in der Produktion“ den gesamten Überblick zu zentralen Aspekten der Digitalisierung, wie Industrial Security, Data Analytics, Industrial Cloud Services, Process Monitoring, Predictive Maintenance, Artificial Intelligence AI und Machine Learning sowie Big Data-Management.

Interview: Flexibilität ist wichtig für marktfähigen Standard

Dr. Alexander Broos ist Leiter Forschung und Technik beim VDW. Er erläutert, welche globalen Herausforderungen bei der Implementierung eines einheitlichen OPC-Standards zu meistern sind.

Herr Dr. Broos, auf welchem Arbeitsstand ist umati heute?

Derzeit arbeiten wir quasi an umati 1.0. Das wird sich weiterentwickeln, so wie es bei Software im Kontext praktischer Anwendungsfälle üblich ist. Irgendwann gibt es umati 1.1 oder umati 2.0. Dies von der Normung und Standardisierung her zu realisieren, ist ein komplexer Prozess. Konkret heißt das: Wir müssen auf Veränderungen reagieren, gegebenenfalls auch mit einem Update. Und wir müssen entscheiden, wie die Abwärtskompatibilität realisiert werden soll.

Inwieweit ist umati Wettbewerber zum US-amerikanischen Standard MTConnect?

Sowohl umati als auch MTConnect sind offene Schnittstellen. Umati setzt voll auf das frei konfigurierbare OPC UA als Kommunikationsplattform. OPC UA schafft einen Rahmen, innerhalb dessen geregelt ist, auf welche Weise die Maschinen miteinander korrespondieren. Was genau kommuniziert wird, ist individuell zu regeln, durch die Beschreibung von Parametern in einer OPC UA Companion Specification, die quasi ein Wörterbuch darstellt. Im Bestreben, ein einheitliches Wörterbuch zu erarbeiten, findet auch eine Abstimmung zwischen umati und MTConnect statt. Bezüglich der Umsetzung gibt es jedoch einige Unterschiede. umati strebt hier an, das spezielle Domänenwissen der Werkzeugmaschinenindustrie gezielt in Semantik und Informationsmodell umzusetzen.

Welche Rolle spielt der VDMA bei der Thematik?

Die OPC-Foundation hat eine Kooperationsvereinbarung mit dem VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau). Das heißt: Der VDMA fungiert für alle Branchen des Maschinen- und Anlagenbaus als deutsche und europäische Plattform und als strategischer Partner der OPC-Foundation. Unternehmen, die OPC implementieren wollen, nutzen dafür dann die so genannten branchenstrukturierten VDMA-Einheitsblätter. Gerade die VDMA-Fachverbände Robotik + Automation und die Kunststoff- und Gummimaschinen haben ja bereits einen eigenen Standard entwickelt. Andere, wie beispielsweise die Verpackungs­maschinenhersteller, haben das Thema auch in Bearbeitung. Als VDW bewegen wir uns mit unserer Brancheninitiative also in einem kompetenten Umfeld, sind in die Vorgänge im VDMA eingebunden und können langfristig von den dort erarbeiteten Synergien profitieren.

Was bedeutet diese Diversifikation für die Hersteller der einzelnen Branchen?

Natürlich sind branchenspezifische Standards auch für OPC UA wichtig, ja unumgänglich. Zu unterschiedlich sind die verschiedenen Branchen. Darüber hinaus wird es auch immer hersteller- oder kundenspezifische Anforderungen an Daten geben, die sich gar nicht erst standardisieren lassen.  Allerdings wird es auch einen gewissen Gleichanteil über alle Branchen hinweg geben. Dieser sollte dann in einem möglichst allgemeingültigen Informationsanteil abgebildet werden, welcher für alle Branchen gleichermaßen anwendbar ist. Die entsprechende Abstimmung findet im VDMA statt. Dieser Prozess verlangt den einzelnen Beteiligten natürlich eine gewisse Flexibilität mit Blick auf das gemeinsame Ziel ab, einen möglichst allgemeingültig anwendbaren Standard. Ich bin aber optimistisch, dass wir die ersten Schritte zu diesem Ziel relativ zügig gemeinsam angehen.

Autorin: Annedore Bose-Munde, Fachjournalistin aus Erfurt

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