„Die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie sieht sich im internationalen Wettbewerb sehr gut aufgestellt, dies trotz der zahlreichen Herausforderungen“, berichtet Franz-Xaver Bernhard, Vorsitzender des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken), Frankfurt am Main, auf der Jahrespressekonferenz des Verbands.  

Seit Jahrzehnten sind deutsche Hersteller führend in Produktion und Export. 2024 belegten sie in der Produktion Platz 2 hinter China und im Export Platz 1 gleichauf mit China. Auch in schwierigen Zeiten investieren sie stabil rund 3 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Gut 50 international renommierte Forschungsinstitute mit zahlreichen Spitzenkräften stehen an deutschen Hochschulen für gemeinsame Projekte zur Verfügung. Auch treiben die sehr gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrer hohen Leistungsbereitschaft die Branchenentwicklung voran. Bis November 2024 hat die Industrie ihre Beschäftigung noch leicht ausgebaut, auf rund 65.300 Mitarbeitende. „Auf diesem Fundament können die Unternehmen Nachfrageschwankungen gut bewältigen. Das haben sie in früheren Schwächephasen oft genug bewiesen“, resümiert Bernhard.   

 

Mutige Reformen gefordert 

Dennoch brauchen sie Rückenwind aus der Politik. Die neue Regierung muss nach der Bundestagswahl Ende Februar die Weichen mit einem überzeugenden Plan für mehr Wirtschaftswachstum sehr zügig stellen, fordert der VDW-Vorsitzende. Bürokratie abbauen, Digitalisierung vorantreiben, Energiekosten und Steuern senken, Bildung verbessern und Infrastruktur sanieren, stehen ganz oben auf der Agenda. „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Corporate Social Responsibility Directive (CSRD), Cyber Resilience Act, europäische Entwaldungsverordnung und wer weiß, was noch, überfordert die Unternehmen“, beschreibt Bernhard die Lage. Je nach Unternehmensgröße müssen sie für die Dokumentation zwischen 1 und 3 Prozent ihres Umsatzes aufwenden, Geld, das für Investitionen fehlt.   

 

Produktionsrückgang für 2025 erwartet 

Die Krise in der Automobilindustrie sowie die Unsicherheiten in den beiden großen Abnehmermärkten USA und China belasten die Branche. Der Verbrauch von Werkzeugmaschinen ist 2024 im Hauptabnehmermarkt Europa um 18 Prozent gesunken. Dabei verloren die beiden größten Märkte Deutschland und Italien 12 bzw. 28 Prozent. China stagnierte, in den USA schrumpfte der Markt um 7 Prozent.  

In Deutschland ist die Produktion von Werkzeugmaschinen 2024 nach Schätzung von Oxford Economics, Prognosepartner des VDW, um 4 Prozent auf rund 14,8 Mrd. Euro gesunken. Ein Jahr zuvor konnte die Branche ihre Produktion in Deutschland hingegen noch um 9 Prozent auf 15,4 Mrd. Euro ausweiten. Ergänzend dazu wuchs der Output in den ausländischen Produktionsstätten überproportional um 13 Prozent auf 3,8 Mrd. Euro. Er machte damit ein Viertel der globalen Maschinenproduktion deutscher Hersteller aus.  

Der Export sank bis Oktober 2024 um 5 Prozent. Innerhalb der Triade war Europa mit 16 Prozent stark rückläufig. Amerika positionierte sich dagegen mit einem Plus von 17 Prozent eindeutig als das Zugpferd. Die USA überholten nach langer Zeit China als wichtigsten Absatzmarkt und legten um ein Fünftel zu. Die Ausfuhren nach China als zweitgrößtem Abnehmer sanken dagegen um 12 Prozent. Indien positioniert sich als mittlerweile sechstgrößter Absatzmarkt. Die Ausfuhren stiegen um satte 36 Prozent. Auch aufgrund eines guten Exportgeschäfts mit Südkorea hielt sich Asien als Region damit fast auf Vorjahresniveau.   

Generell soll sich das konjunkturelle Umfeld 2025 mit sinkenden Zinsen, einer Normalisierung der Inflation und einer Belebung des Privatkonsums wieder ein wenig verbessern. Der Auftragseingang, Frühindikator für die weitere Entwicklung, ist im vergangenen Jahr deutlich gesunken, bis November um 22 Prozent. Am aktuellen Rand deutet sich allerdings eine Bodenbildung an. Das Inland verlor ein Zehntel, das Ausland hingegen mit 27 Prozent Minus fast dreimal so viel. Der Rückgang verteilt sich auf die gesamte Triade.   

Auch wenn sich die Nachfrage nach Werkzeugmaschinen stabilisiert und sich die Rahmenbedingungen etwas verbessern, wird die Produktion deutlich zurückgehen. Der VDW erwartet ein Minus von 10 Prozent auf dann 13,3 Mrd. Euro. 

 

Diversifizierung von Märkten und Kundenbranchen bietet Potenzial 

Rund die Hälfte der deutschen Exporte gehen in die europäischen Nachbarländer. Mit 450 Millionen kaufkräftigen Konsumenten allein in der EU und einer beginnenden Erholung der Industrieinvestitionen bleibt Europa ein interessanter und attraktiver Absatzmarkt. Dort sind deutsche Hersteller bestens etabliert, genießen einen sehr guten Ruf und sind nahe beim Kunden. „Dieses Potenzial kann in Zukunft noch stärker ausgeschöpft werden“, empfiehlt der VDW-Vorsitzende.   

Die EU-Kommission will den Aufbau wettbewerbsfähiger Industrien unterstützen, etwa im Digitalbereich. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung einer kreislauforientierten und krisenfesten Wirtschaft, die Forschung und Innovation in fokussiert. Impulse für die Fertigung entstehen durch Investitionen in Modernisierung und Ersatzbedarf.    

Das europäische Investitionsgeschehen ist breit gefächert. Besonders dynamisch investieren Luftfahrt und Rüstungsindustrie in Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Investitionen in den Ausbau der Solarenergie sowie in die Wasserstoff- und Batteriefertigung fokussieren Spanien, Italien und Portugal. In Skandinavien, Großbritannien und den Niederlanden dominiert die Windenergie. In Italien werden weitere Steuergutschriften für Investitionen in der Industrie erwartet. Die Nachfrage sollte daher im laufenden Jahr wieder etwas anziehen.  

Der Fachkräftemangel und der notwendige Produktivitätsfortschritt treiben Investitionen im Maschinenbau voran. Vom Ausbau der Elektromobilität in der Automobil- und Zulieferindustrie profitiert aktuell vor allem Osteuropa. Internationale OEMs bauen Kapazitäten in Polen, Ungarn, Rumänien und der Slowakei auf. Osteuropa ist aufgrund des geringeren Lohnniveaus und der Verfügbarkeit von Arbeitskräften als Industriestandort besonders interessant und benötigt daher zunehmend Fertigungstechnik.  

 

USA und China bleiben wichtige Märkte 

Die USA sind der größte Kunde mit einem Anteil von rund einem Fünftel. Die Ausfuhren sind in den vergangenen beiden Jahren um über 30 Prozent angestiegen. Mit niedrigeren Energiepreisen und Steuern, weniger Bürokratie und großen Ausgabenprogrammen wie dem Inflation Reduction und dem Chips Act ziehen sie Investitionen ins Land. Dies wird sich unter der neuen Regierung Trump mit America first weiter verstärken. Deutsche Hersteller können profitieren, weil sie breit aufgestellt sind und Technologien bieten, die vor Ort nicht hergestellt, zur Reindustrialisierung jedoch dringend benötigt werden. Auch produzieren schon etliche deutsche Hersteller in den USA, die von den angedrohten Zöllen nicht betroffen wären.  

Die aktuelle Nachfrageschwäche im zweitgrößten Markt China mit einem Anteil von 16 Prozent an den deutschen Exporten ist gekennzeichnet durch Überkapazitäten in der Industrie, Deflation, Zurückhaltung im Konsum und sinkende Investitionen in traditionelle Industrien. Der Fokus liegt demgegenüber heute stärker auf Elektromobilität, Windkraft und Solarenergie. Die chinesische Regierung hat den so genannten Large Scale Equipment Renewal Plan aufgesetzt. Mit günstigen Krediten und Subventionen soll die industrielle Ausrüstung erneuert werden. Dazu gehört auch der Ersatz von Werkzeugmaschinen, die älter als zehn Jahre sind. Zusammen mit Maßnahmen zur Stützung des Konsums könnten sich im laufenden Jahr in China daraus wieder erste Impulse ergeben. Für die deutschen Hersteller ist das Land der größte ausländische Produktionsstandort. „Um bestehen zu können, müssen die deutschen Hersteller ihren technologischen Vorsprung jedoch konsequent durch Innovationen sichern und weiter ausbauen“, weiß VDW-Vorsitzender Bernhard. 

Große Verwerfungen könnte ein Handelskrieg zwischen den USA und China bringen, der die gesamte Weltwirtschaft beeinträchtigen würde. Grundsätzlich würde ein stärkerer Protektionismus mit generell höheren Importzöllen auch die europäische und deutsche Industrie und somit unsere Kunden treffen, sorgt sich der VDW-Vorsitzende.  

 

Märkte mit Potenzial 

Indien wird schon länger als Markt mit großem Zukunftspotenzial gehandelt. Die deutschen Werkzeugmaschinenexporte sind in den vergangenen beiden Jahren sehr kräftig um über 60 Prozent gewachsen. Insbesondere die größte Industriebranche Metallerzeugung- und -bearbeitung plant bis 2030 hohe Erweiterungsinvestitionen. Im Ausbau befindet sich auch die Automobilindustrie. Indien ist mittlerweile weltweit das viertgrößte Herstellerland. Auch der Maschinenbau spielt als Abnehmer eine wichtige Rolle. Vor Ort werden vor allem Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen, Bau- und Bergbaumaschinen, Kraftwerkstechnik sowie Kunststoffmaschinen hergestellt. Die Energiewirtschaft setzt auch hier auf regenerative Energien.  

Die kleineren Märkte Südostasiens, Thailand, Malaysia, Vietnam und Indonesien bieten ebenfalls Potenzial. Sie nehmen zwar nur ca. 1,5 Prozent der deutschen Ausfuhren auf. Verstärkte Anstrengungen lohnen sich dennoch, weil sich internationale Konzerne in diesen Ländern engagieren, auch als Standortalternative zu China. Damit steigt die Nachfrage nach höherwertiger, modernster Fertigungstechnik. Allerdings ist der Wettbewerb mit Japan, China und anderen asiatischen Herstellern in deren Heimatregion groß.  

 

Neue Kunden brauchen neue Lösungen  

Der Transformationsprozess in der Automobilindustrie vom Verbrenner zum Elektroantrieb mit der aktuell sehr holprigen Entwicklung motiviert die Werkzeugmaschinenhersteller, andere Abnehmerbranchen zu erschließen. „Dass der Transformationsprozess ohne Strukturveränderungen bei den Zulieferern und Ausrüstern abläuft, war nicht zu erwarten“, sagt Bernhard. Entsprechend hat die Branche den Anteil ihrer Lieferungen in die Automobil- und Zulieferindustrie bereits verringert. In der VDW-Kundenstrukturerhebung für 2023 gingen noch 27,2 Prozent der Produktion in die Fahrzeugindustrie statt 31,1 Prozent zwei Jahre zuvor. Nunmehr steht der Maschinenbau mit 30,1 Prozent an der Spitze der wichtigen Abnehmer.  

Auch andere Branchen gewinnen an Bedeutung, es entwickeln sich neue Geschäftsfelder. Die Luftfahrtindustrie investiert in verbrauchsärmere Flotten. In einer älter werdenden Gesellschaft spielt die Medizintechnik eine immer größere Rolle. Die Energiewende führt zu Investitionen in Windkraft, Solarenergie, Wasserstofftechnik, Kohlenstoffabscheidung und -lagerung sowie Wärmepumpen. Die Ausgaben für Verteidigung und Rüstung werden in den westlichen Ländern als Folge des Angriffskrieges von Russland in der Ukraine weiter steigen. Und die stark zunehmende Digitalisierung und Vernetzung stärkt die Elektronikindustrie, beispielsweise mit der Produktion hochmoderner Chips oder dem Ausbau von Serverfarmen. Die Diversifizierung in neue Kundengruppen benötigt eine Anpassung des Lösungsangebots. Hier können die Firmen ihre ganzen Stärken ausspielen. Treiber für die moderne Fertigungstechnik sind Automatisierung und Digitalisierung, verstärkt durch den Arbeitskräftemangel, aber auch die Nachhaltigkeit.  

„Für die deutsche und europäische Industrie bestehen nach wie vor große Herausforderungen. Unsere Unternehmen werden ihre Hausaufgaben machen. Da habe ich keine Sorgen“, sagt Bernhard abschließend.